Tee
Das Zimmer gefüllt mit frischer Kälte der Nacht.
In die Wärme meines eigenen Körpers gebettet,
denke ich an die Strapazen des gestrigen Marsches.
Material zur erweiterten Nomenklatur einer literarischen Gattung
Ist das Thema in sich überhaupt nicht schlüssig,
sind die meisten Bilder schlichtweg überflüssig,
geht uns der Zusammenhang gleich flöten,
und es gibt daran auch wirklich nichts zu löten,
kurzum klingt das ganze rund raus ziellos fahrig,
ist das : Larik.
Wirkt der Ausdruck zäh und ohne echtes Leben,
scheint der eine Satz am nächsten dran zu kleben,
fehlt da jede Leichtigkeit im Rhythmus,
gibt’s da nix wo dein Gefühl ganz einfach mit muss,
also schlicht gesagt das Ganze klebrig teerig,
das ist : Lerik.
Kommt das Opus überhaupt nicht klar verständlich,
wo es hingehn soll vom Sinn her unerkenntlich,
fragst du dich noch bis zum Schluss was das denn soll,
und es wächst beim Lesen mehr und mehr ein tiefer Groll,
also null Erklärung ,keinerlei Empirik, nix als schwierig,
typisch : Lirik.
Wenn du merkst da ist nichts substanziell zu fassen,
kein Vergleich will zu der Wortwahl wirklich passen,
alles schwammig larifari ohne Biss,
durch die Syntax geht ein tiefer breiter Riss,
und der Klang ganz schaumig dumpf und offenporig
Ohne Zweifel so klingt : Lorik.
Gibt sich so ein Werk naturnah bodenständig,
von der Form her eher grob und merkbar laienhändig,
derb im Umgang mit den Mitteln seiner Wahl,
letzten Endes für den Feingeist eine Qual,
kurzum klingt’s nach Brauchtum polternd dumpf und urig
handelt es sich eindeutig um : Lurik.
Zerrinnerungen
Die Küche voll, leerer Töpfe,
aus denen ich Verpasstes schöpfe.
Ausser ein paar Buchstaben,
keine Vergnügungen haben.
Noch im Dunkeln, jeden
Morgen mit den alten
Einkaufszetteln reden
sie zu Schiffchen falten.
Lustschlösser bauen
auf der Treue der Frauen.
In verklemmten Schubladen kramen,
Bild für Bild fällt aus den Wechselrahmen.
Auf Knien gelebt,für diese Stimme gebebt,
später in’s Album eingeklebt.
Jede Ablichtung
eine Art von datierter Hinrichtung.
Nächtelang in ihrem Schoß vernarrt,
dann hat der Krebs ihre Brust verscharrt.
Hochzeiten,Taufen,Jubiläen,
beglaubigter Glanz von Blechtrophäen.
Zwischendrin ein zuckendes Leuchten,
wenn fremde Lippen deine Wünsche befeuchten.
Ein kleiner Gewinn,
ein Blechschaden,
gelöschtes Passwort,vergessene PIN
Hände auf salzigen Sommer-Waden.
8 Schulen und 13 x umgezogen,
vom Zufall immer irgendwo hingebogen.
Unten spielt jemand im Haus Klavier
wenn ich dich nicht fühlen muss, bin ich bei mir.
Nächte in frischem Stroh,
Kettensingen Stampfen und Schnauben,
das gebündelte Gros
der Jahre, Fuchsmaul voll saurer Trauben.
Und immer noch schüchterne Küsse,
Reisig Knistern, Mohnkuchen Backen,
Kirschbaum-Holz hacken,
im Schuppen bei Kerzenlicht eiskalte Güsse.
Rohrstockschläge für die Fingerspitzen,
Todesangst betend hoch in den Klippen,
das Zischen der Kreuzotter neben der Hand,
Tetanus-Spritzen,
Hufschlag auf Lippen und zwischen die Rippen,
Ohr an der eifersüchtigen Wand.
Unten spielt jemand im Haus Klavier,
wenn ich dich nicht fühlen muss,bin ich bei mir.
Die Brücke
In der Klamm,
die das Westgebirge
vom Ostgebirge trennt,
haben bei einem Unwetter
die herabstürzenden Wassermassen,
die alte Bambusbrücke mit sich gerissen.
Meister und Schüler sind deshalb gezwungen,
den Umweg eines ganzen Tagesmarsches auf sich zu nehmen.
„Dieser Umweg“,spricht der Meister,
„ermöglicht es uns über den Wert einer intakten Brücke
eingehender nach zu denken.
Die festeren Brücken sind die erdachten.“
Irgend Etwas
Irgend Etwas
einfach nur so hinschreiben,
weil dir gerade nichts anderes einfällt,
das muss dir auch erstmal einfallen.
gevögelte Worte
Eine Tasse heiße Hühnerbrühe
wärmt des Hahnreis schwachen Leib,
besser als verbalzte Liebesmühe,
um sein gackeriges Weib.
Sex und Religion
unter den Talaren,
Erektionen die zu Kreuze kriechen,
seit zweitausend Jahren.
In gegenseitiger Erwartung
Täglich gebe ich dem Tod
unmissverständlich zu verstehen,
dass er zur Zeit bei mir
noch nicht auf der Liste zu finden ist.
Diesen Umstand scheint er
vorerst geduldig zu akzeptieren.
Auf kleinen geflochtenen Stühlen
In den Gängen und Treppenhäusern,
der Anstalten und Depots,
wartet schüchtern,
auf kleinen geflochtenen Stühlen,
maskiert als Zumutung,
das Glück und wünscht sich,
dass du es aufforderst zum Tanz.
Elternhaus
Entworfen von der deutschnationalen Rechthaberei
des Vaters,
eigerichtet mit den Nachkriegsenttäuschungen
der Mutter,
mangelte es seinem Dach an jeglicher Zuneigung,
dem Blick der Fenster fehlte die Begrüßung,
nichts an seiner Türe wäre als Einladung zu verstehen gewesen.
Möbliert mit den Versatzstücken phantasieloser Sparsamkeit,
entbehrte sein Grundriss die Freude am Wagnis.
Schon im Treppenhaus erfror das Echo der eigenen Schritte
und im sechstürigen Flur erstickten die Mäntel in der Garderobe.
Das Bad eine Art von Zahnputzglas,
in der Küche gab es nur Abwischbares,
auf der Toilette ereilte einen der Durchfall,
im Esszimmer stand die Luft und der Fernseher,
man wohnte zwischen lieblos vergessenen Büchern,
einem verstummten Klavier und herbeigesehnten anderen Orten im Kopf.
Garten und Haus waren verfeindet.
Das Haus entwickelte keinen Sinn für wachsende Lebendigkeit,
die Pflanzen litten unter seiner amusisch rechteckigen Kälte.
Über die Jahre, in denen der unterdrückte Hass wuchs,
und Sportübertragungen und Spielfilme die führende Rolle übernahmen,
entglitten den Bewohnern die Dinge nach und nach
in’s provisorisch unbenutzbare,abblätternde,korrodierende,verklemmende.
Folgerichtig starb der Vater alleine,mit allen Nöten versehen,
in der ausgeräumten Gruft des ehelichen Schlafzimmers.
Die Mutter hielt mit starrem Lächeln die Stellung, bis sie nach wiederholtem Sturz,
in ihrer eigenen Sinnlosigkeit liegend ,durch Zufall gefunden wurde.
Als der Bagger kam,
fiel mir der Stein meiner Jugend vom Herzen.