Monthly Archives: Februar 2017

Zeiten , Abendtext vom 28.02. 2017 (Nach der Fahrt zur Zentraldeponie)

Posted on 28 Februar, 2017 in Uncategorized

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Zeiten

 

Meine Mutter wusch Windeln mit der Hand.

Wir Kinder holten die Milch beim Konsum

in einer emaillierten Blechkanne

und schwenkten den Henkel mit hölzernem Griff.

Reis Nudeln und Mehl

wurden hinter der Theke

in braune Papiertüten gefüllt und gewogen.

Man hatte Einkaufs-Netze und Henkel-Taschen dabei,

die man an den Fahrradlenker hängen konnte.

Waren die Absätze schief geschlurft,

brachten wir unser eines Paar Schuhe zum Schuster,

und trugen vorsichtig drei Tage lang die Besseren.

Strümpfe stopfte die Großmutter

beim Radiohören am Abend.

Zu Weihnachten und zum Geburtstag

bekam man neue selbstgestrickte geschenkt.

Einmal ging vom Grundig das magische Auge kaputt,

ein anderes mal musste der Techniker

eine durchgebrannte Röhre austauschen.

Im Keller standen im Dunklen die Kartoffelkiste

und Gitterschubladen für Quitten und Äpfel

von den fünf Bäumen hinterm Haus.

Waren wir erkältet oder bekamen wir Fieber

steckte man uns in’s Bett

und verpasste uns Hals Waden und Leibwickel.

Heiße Milch mit Honig war Pflicht,dazu Lebertrahn.

Zur Nachtruhe hingen unsere Köpfe

über dampfenden Kamillensud-Schüsseln.

In den Ferien ging’s mit der Bahn zu den Großeltern.

Wir fielen in den Teich,fielen vom Kirschbaum

und abends frisch gebadet in den Steppdecken gepolsterten Schlaf auf dem Sofa,

zu Großvaters Klavierspiel bei offenem Fenster.

Als er starb erbte ich seine Taschenuhr.

Der alte Uhrmacher bei uns im Dorf reinigte sie behutsam

hielt sie dann dicht vor seine Lupenbrille

und murmelte:“Das waren Zeiten“.

 

 


ICH-Schreibe , Morgentext vom 28.02. 2017

Posted on 28 Februar, 2017 in Uncategorized

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ICH-Schreibe

 

WARUM schreibe ich ?

DARUM schreibe ich !

 

WESHALB schreibe ich ?

DESHALB schreibe ich !

 

WIE schreibe ich ?

NICHTSOWIEDIE  schreibe ich !

 

WANN schreibe ich ?

IMMERDANN schreibe ich.

 

WO schreibe ich ?

AUCHAUFDENKLO schreibe ich !

 

ANWEN schreibe ich ?

ANNIEMAN-DEN schreibe ich !

 

WAS schreibe ich ?

mein SCHREIBEICH

DAS schreibe ich.

 

 

Wie schreibt man ein Gedicht ? Abendtext vom 27.02. 2017

Posted on 27 Februar, 2017 in Uncategorized

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Wie schreibt man ein Gedicht ?

 

Der Meister

rezitiert Gedichte von Han Shan.

 

Die Schüler

lauschen andächtig.

 

Einer der Schüler fragt den Meister:

„Verehrter Meister,

wie schreibt man ein Gedicht ?“

 

Der Meister schweigt wie üblich erst

eine längere Zeit,

bevor er antwortet und spricht dann:

„Ein Meister benötigt seine Schüler,

damit er bestimmte Fragen nicht beantworten kann“.

Das Gedicht , Abendtext vom 27.02. 2017

Posted on 27 Februar, 2017 in Uncategorized

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Das Gedicht

 

Ein Schüler

bittet den Meister um eine Unterweisung.

 

Er überreicht dem Meister ein beschriebenes Blatt.

 

„Verehrter Meister,

dieses Gedicht habe ich geschrieben.

Bitte sagt mir ob es gut oder schlecht ist,“

 

Der Meister legt das Blatt

mit der Rückseite nach oben

vor sich hin und betrachtet es lange.

 

Dann spricht er:

„Das Gedicht ist gut,weil du es geschrieben hast.

Das Gedicht ist schlecht,weil du zu mir kommst

und wissen willst ob es gut oder schlecht ist.“

 

 

 

 

Gedichte , Abendtext vom 27.02. 2017

Posted on 27 Februar, 2017 in Uncategorized

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Gedichte

 

Der Meister

lässt die Schüler

häufig Gedichte rezitieren.

 

Auf Wanderungen,

unter Bäumen sitzend im sommerlichen Garten,

vor und nach den Mahlzeiten.

 

„Es gibt,“

spricht der Meister,

“ keine bessere Schulung zum Glück der Einsamkeit,

als das gemeinsame Lesen von Gedichten“.

 

 

 

 

 

 

Dort , Abendtext zum Tagesende des 26.02.2017

Posted on 26 Februar, 2017 in Uncategorized

 

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Dort

 

Dort werde ich nun nicht mehr hinfahr’n.

 

Dort bellte immer wenn ich ausstieg schwarz der Hund

und schob die Schnauze unter meine Jacke.

 

die Stalltür zu, muffiger Heugeruch.

Im Schrank dort ein Hornissennest.

 

Seit Jahren wird der Gips dort in den Säcken hart.

Das Licht verstaubt in seinen patinierten Ecken

und vor dem großen Fenster rostet hell die Luft.

 

Dort räumen sie das Haus jetzt aus,

die Beute wird taxiert und rasch verteilt,

man ködert in der Früh die Pfauenbrut in Netzen,

der Jäger schießt die Katzen von den Pfosten.

 

Ich suche uns das alte Album raus.

Dort werde ich nun nicht mehr hinfahr’n,

Der Tod ist scheinbar mehr als nur zu sterben.

Nichts gilt mehr,was ich dir von dort erzählt hab.

Wo man zu Hause bleiben will,dort muss man geh’n.

 

 

 

 

 

 

 

Dein Schatz , Abendtext auf eine Motette von Guillaume Dufay

Posted on 26 Februar, 2017 in Uncategorized

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Dein Schatz

 

Was war ich Dir gestern doch gleich,

ich meine ich war dir vielleicht

ein Stückchen Würfelzucker,

ließ von der Süsse mich,

deiner oh wie doch so schlankranken Finger,

fallen ins Teeglas, ertrank,

und lustvoll geschlürft,

träumte mir aufgelöst Dunkles

in deines Magens fröhlich sauerer Feuchte.

 

Heute Zum Beispiel will ich dir

einen Gotischen Pfeiler mimen.

Schon betrittst du die Kirche St.Bonifaz

kaum eine Elle von mir

setzt in’s Gestühl du dich nieder,

nah meiner kühlenden Rundung.

Schau wie versunken

in das perlmutterne Schweben

einer Motette, sich deine Blicke

kerzenumspiegelt versenken.

Und ich mit angehaltenem steinernem Atem

stütze von Andacht gekräftigt, das Gewölbe

unserer Maßwerk verzierten Liebe.

 

Schließlich dann morgen, ja morgen,

da werde ich endlich

ein Lied sein,

eins nur für dich und von denen

noch nicht erdachten,

werde so mir nichts so dir nichts,

dir unter den Fahrradhelm kriechen,

während du leichtreifig sandig

den Kiefernadelweg rollst.

Da sprudle ich plötzlich voll Frohsinn

über die windtrocknen Lippen

und höre dich singen:

„Mein Schatz ist ein zaubrischer Narr“.